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Aggression im Tischtennis! Von Ursachen zu Prävention.

In den letzten Wochen wurden die Diskussionen über Wutausbrüche, Schimpftiraden und chaotische Auseinandersetzungen im österreichischen Tischtennis immer lauter. Die Nachwuchsrubrik der Tischtennis Bundesliga sieht sich in der Verantwortung junge Spieler:innen mit diesen Szenen nicht alleine zu lassen. Deshalb haben wir versucht die Geschehnisse mit einer fachlichen Brille aufzuarbeiten. Die Schuldfrage steht hierbei im Hintergrund. Die Absicht des Artikels ist es, eine sachliche und fachliche Aufarbeitung in den Fokus zu nehmen um künftige Geschehnisse bestmöglich präventiv auffangen zu können.

Erstellt von Marius Mandl
Allein auf weiter Flur! Niederlage, Frustration und Wut können in Aggression münden. Um dies zu verhindern gibt die Sportpsychologie Bewältigungskonzepte vor. Foto Copyright: Österreichische Tischtennis Bundesliga/ Tobi Ratz. Am Foto: Andreas Levenko (SPG Wels).

Ob beim skandalösen Bundesligafinale 2019, beim Bundesligahalbfinale 2021, oder beim diese Woche stattgefundenen Top 12 Turnier. Der heimische Tischtennissport ist in letzter Zeit von Aggressionen, Konflikten und Unsportlichkeiten nicht verschont geblieben. Und damit ist unser schöner Tischtennissport nicht alleine. Egal ob in der Formel 1, im Tennis oder beim Fußball. Gibt es Wettstreit gepaart mit Spiel und Sport sind Emotionen treue Begleiter. Doch wie entstehen Unsportlichkeiten? Und die noch wichtigere Frage lautet – wie lassen sich diese Emotionen kontrollieren und Aggressionen und unfaires Verhalten verhindern? 


Aggression ist im Sport selten geplant
Die oben aufgezählten Geschehnisse haben allesamt einen gemeinsamen Nenner: Dieser lässt sich als „aggressives Verhalten“ definieren. Aggression im Sport gibt es seitdem es Bewegung im Zusammenhang mit Spiel und Wettkampf gibt. Die letzten Ereignisse im Tischtennis beruhen auf einer sogenannten affektiven Aggression. Ein Affekt bezeichnet einen Zustand extremer seelischer Angespanntheit. Diese Art von Aggression findet nicht geplant, sondern aus einer inneren Emotion heraus statt.

Entstehungsmodell der Aggression
In der Sportpsychologie gibt es ein sogenanntes Entstehungsmodell der Aggression (Apolin, 2013). Dieses verfolgt drei Ansätze, welche in der Theorie und Praxis des Sports zu manifestieren sind.


1.)    Der triebtheoretische Ansatz
Das Modell von Freud und Konrad besagt, dass Aggression ein angeborener Trieb ist und dieser durch eine geeignete Ersatzhandlung abreagiert werden muss. Unter anderem kann der Sport dazu dienen diese Aggression in eine gesellschaftlich akzeptable Form umwandeln zu können. 


2.)    Lernen am Modell
Dies nimmt vor allem die Trainer:innen in die Pflicht. Es besagt, dass aggressives Verhalten von Menschen erlernt wird, welche eine Vorbildfunktion innehaben. Dabei handelt es sich um Wahrnehmung und Projektion von Verhalten anderer Personen. Eine besondere Wichtigkeit besitzt die Vorbildfunktion. Die Rolle welche einem Modell oder Idol zugeschrieben wird, besitzt beim Modelllernen hohe Relevanz. Wird aggressives Verhalten von Menschen beobachtet, die als erfolgreich gelten, so wird diesem Verhalten eher nachgeeifert werden. 
Ein praktisches Beispiel wäre eine Tischtennis-Nachwuchsgruppe: Jüngere Spieler:innen werden demnach dem Verhalten von älteren Gruppenmitgliedern und natürlich der Trainer:innen unbewusst nacheifern. Den Personen (Vorbildern), sollten die Einnahme dieser Rolle bewusst sein. Denn diese ist sehr verantwortungsvoll. Daher sollte größtmögliche Fairness, Korrektheit und ein hohes Maß an Emotionsregulation an den Tag gelegt werden. Natürlich sollten an dieser Stelle auch Profis und deren Vorbildfunktion erwähnt werden. Schmeißt Novak Djokovic seinen Schläger auf die Tribüne, zertritt Zhang Jike Werbebanden oder stecken Fußballstars erzürnt ihre Köpfe zusammen, wird das millionenfach beobachtet, wahrgenommen und dem von Kindern und Jugendlichen nachgeeifert werden.


3.)    Frustrations-Aggressions-Hypothese
Diese kommt in den oben genannten Geschehnissen besonders zu tragen. In Situationen der Überforderung, Frustration und der Niederlage, kommt es häufig zu Ausschreitungen im Sport. Im Fußball sind oftmals Fouls die Folge. Da es im Tischtennis keinen Körperkontakt gibt, äußert sich dieser Frust in den chaotischen Szenen in Salzburg 2019, verbalen Entgleisungen in Salzburg 2021 und beim Köpfe zusammenstecken in Horn 2021. All diese Situationen basieren auf Frustrationserlebnissen, welche in Überforderung und Aggression münden.

 

Klare Spielführung, Sportpsychologie und mentales Training als Prävention für aggressives Verhalten
Emotionsregulation und Frustrationstoleranz bezeichnen Fähigkeiten Enttäuschungen auszuhalten, ohne dabei in aggressive Verhaltensmuster zu fallen. Diese Fähigkeiten sind nicht nur im Sport von großer Bedeutung, sondern auch im Berufs- und Privatleben.  Gelingt es erfolgreichen Menschen eher mit Misserfolg und Niederlagen umzugehen, sie als Herausforderungen zu sehen so können diese davon langfristig sogar profitieren. Diese Fähigkeiten entstehen jedoch nicht von heute auf morgen. Emotionsregulation ist trainierbar. Es ist Aufgabe der Trainer:innen und Sportpsycholog:innen jungen Schützlingen zu helfen diese auszubilden. 
Außerdem bedarf es einer klaren Spielführung seitens der Schiedsrichter:innen. Urgiert beispielsweise ein:e Spieler:in ständig den Aufschlag des Gegebnübers und schalten sich zusätzlich noch Coaches, Funktionäre oder Teamkolleg:innen ein, so ist dies der Nährboden der Eskalation und sollte von den Unparteiischen sofort im Keim erstickt werden. 


Trainer:innen sollten Fehlverhalten der Schützlinge bzw. deren Idole reflektieren
Wichtig ist es junge Spieler:innen mit solchen Szenen nicht alleine zu lassen, sondern zu versuchen diese zu besprechen und aufzuarbeiten. Dies sollte die Stars von morgen zu guten Charakteren mit fairem Sportsgeist heranreifen lassen, um in der Zukunft selbst als ideale Vorbilder agieren zu können. Trainer:innen sollten mit Hilfe der Sportpsychologie über Fehlverhalten der eigenen Schützlinge sprechen. Dieses Thema sollte auf sämtlichen Ebenen reflektiert werden. Können Spieler:innen ihre eigenen Angst-, und Aggressionszustände benennen, ist dies der erste Schritt um an der Regulation arbeiten zu können. Aggression und Frustration sollen keine Tabuthemen sein und den jungen Athlet:innen keinesfalls abgewürgt werden. Die Kunst besteht darin Angst, Frustration und Aggression benennen und die eigenen Emotionen regulieren zu können. Arbeiten die hiesigen Trainer:innen künftig an diesen Aspekten, so sollten die oben geschilderten Szenen bald der Vergangenheit angehören.